Dienstag, 10. Februar 2004
Ludwig der Deutsche und seine Zeit
rotula, 00:09h
Erst vor ein paar Tagen frisch aus der Druckerpresse bei uns auf den Tisch gekommen: Ludwig der Deutsche und seine Zeit, hg. von Wilfried HARTMANN (Darmstadt 2004). [Wilfried Hartmann ist Professor in Tübingen, sodass das hier eine Anzeige halbwegs in eigener Sache ist, auch wenn ich an dem Band und der Tagung nicht aktiv beteiligt war.]
Nachdem Wilfried Hartmann 2002 die erste moderne Biographie Ludwigs des Deutschen vorlegte, folgt hier nun der Aufsatzband eines wissenschaftlichen Symposions, das im Oktober 2002 in Lorsch, dem Begräbnisort Ludwigs, abgehalten wurde. (Die Tagungsankündigung mit Programm ist noch im Netz zu finden.) Unmittelbarer Anlass der Tagung war das Erscheinen der oben genannten Ludwigsbiographie. Neben dem Herausgeber kamen aber auf dem Symposion erfreulicherweise in besonderem Maße junge Wissenschaftler zu Wort, die sich (oft im Rahmen einer Dissertation) mit Themen der späten Karolingerzeit beschäftigen. Zu nennen sind in dieser Reihe etwa die Autoren Deutinger, Goldberg, Brousseau, Bigott und Krüger.
Da ich bislang keine Gelegenheit hatte, die einzelnen Aufsätze eingehend zu lesen, biete ich hier wenigstens schonmal einen Überblick über die Beiträge (mag ja sein, dass die Nennung der Titel dem einen oder anderen auf der Suche nach neuester Literatur via Suchmaschine weiterhelfen kann):
Wilfried HARTMANN
Ludwig der Deutsche – Portrait eines wenig bekannten Königs (S. 1–26)
Thomas ZOTZ
Ludwig der Deutsche und seine Pfalzen. Königliche Herrschaftspraxis in der Formierungsphase des Ostfränkischen Reiches (S. 27–46)
Roman DEUTINGER
Hludovicus rex Baioariae. Zur Rolle Bayerns in der Politik Ludwigs des Deutschen (S. 47–66)
Eric J. GOLDBERG
Ludwig der Deutsche und Mähren. Eine Studie zu karolingischen Grenzkriegen im Osten (S. 67–94)
Nicholas BROUSSEAU
Die Urkunden Ludwigs des Deutschen und Karls des Kahlen – Ein Vergleich (S. 95–119)
Boris BIGOTT
Die Versöhnung von 847. Ludwig der Deutsche und die Reichskirche (S. 121–140)
Ernst TREMP
Ludwig der Deutsche und das Kloster St. Gallen (S. 141–160)
Hannes STEINER
Buchproduktion und Bibliothekszuwachs im Kloster St. Gallen unter den Äbten Grimald und Hartmut (S. 161–183)
Astrid KRÜGER
Sancte Nazari ora pro nobis – Ludwig der Deutsche und der Lorscher Rotulus (S. 184–202)
Wolfgang HAUBRICHS
Ludwig der Deutsche und die volkssprachige Literatur (S. 203–232)
Chiara STAITI
Das Evangelienbuch Otfrids von Weißenburg und Ludwig der Deutsche (S. 233–254)
Abkürzungsverzeichnis (S. 255–257)
Abbildungsnachweis (S. 258)
Register der Personen und Orte (S. 259–264)
Nachdem Wilfried Hartmann 2002 die erste moderne Biographie Ludwigs des Deutschen vorlegte, folgt hier nun der Aufsatzband eines wissenschaftlichen Symposions, das im Oktober 2002 in Lorsch, dem Begräbnisort Ludwigs, abgehalten wurde. (Die Tagungsankündigung mit Programm ist noch im Netz zu finden.) Unmittelbarer Anlass der Tagung war das Erscheinen der oben genannten Ludwigsbiographie. Neben dem Herausgeber kamen aber auf dem Symposion erfreulicherweise in besonderem Maße junge Wissenschaftler zu Wort, die sich (oft im Rahmen einer Dissertation) mit Themen der späten Karolingerzeit beschäftigen. Zu nennen sind in dieser Reihe etwa die Autoren Deutinger, Goldberg, Brousseau, Bigott und Krüger.
Da ich bislang keine Gelegenheit hatte, die einzelnen Aufsätze eingehend zu lesen, biete ich hier wenigstens schonmal einen Überblick über die Beiträge (mag ja sein, dass die Nennung der Titel dem einen oder anderen auf der Suche nach neuester Literatur via Suchmaschine weiterhelfen kann):
Wilfried HARTMANN
Ludwig der Deutsche – Portrait eines wenig bekannten Königs (S. 1–26)
Thomas ZOTZ
Ludwig der Deutsche und seine Pfalzen. Königliche Herrschaftspraxis in der Formierungsphase des Ostfränkischen Reiches (S. 27–46)
Roman DEUTINGER
Hludovicus rex Baioariae. Zur Rolle Bayerns in der Politik Ludwigs des Deutschen (S. 47–66)
Eric J. GOLDBERG
Ludwig der Deutsche und Mähren. Eine Studie zu karolingischen Grenzkriegen im Osten (S. 67–94)
Nicholas BROUSSEAU
Die Urkunden Ludwigs des Deutschen und Karls des Kahlen – Ein Vergleich (S. 95–119)
Boris BIGOTT
Die Versöhnung von 847. Ludwig der Deutsche und die Reichskirche (S. 121–140)
Ernst TREMP
Ludwig der Deutsche und das Kloster St. Gallen (S. 141–160)
Hannes STEINER
Buchproduktion und Bibliothekszuwachs im Kloster St. Gallen unter den Äbten Grimald und Hartmut (S. 161–183)
Astrid KRÜGER
Sancte Nazari ora pro nobis – Ludwig der Deutsche und der Lorscher Rotulus (S. 184–202)
Wolfgang HAUBRICHS
Ludwig der Deutsche und die volkssprachige Literatur (S. 203–232)
Chiara STAITI
Das Evangelienbuch Otfrids von Weißenburg und Ludwig der Deutsche (S. 233–254)
Abkürzungsverzeichnis (S. 255–257)
Abbildungsnachweis (S. 258)
Register der Personen und Orte (S. 259–264)
Sonntag, 8. Februar 2004
Stipendien des Historischen Kollegs
rotula, 21:01h
Die FAZ (Nr. 31, 2004-02-06, S. 37F) meldet kurz die Berufung der Stipendiaten des Historischen Kollegs (München) für das Kollegjahr 2004/05. Unter den Forschungsstipendiaten, die Residenzpflicht in München haben und dort unbelastet vom Alltagsgeschäft ein größeres Forschungswerk (opus magnum) erarbeiten sollen, befindet sich auch der Mittelalterhistoriker Wilfried Hartmann (Tübingen), der über Kirche und Kirchenrecht der späten Karolingerzeit arbeiten wird. Ferner wird sich Michael Toch (Jerusalem) mit der Wirtschaftsgeschichte der europäischen Juden im Mittelalter befassen. Heinz Schilling (Berlin) hat die Herausbildung des Mächtesystems im konfessionellen Zeitalter zum Thema. Und das Förderstipendium geht an Peter Scholz (Frankfurt), der die "Erziehung zum nobilis" in der römischen Senatsaristokratie untersuchen wird.
Laut den Statuten des Kollegs gehört es zu den Aufgaben eines Forschungsstipendiaten, "im Bereich seines Forschungsvorhabens ein internationales Kolloquium abzuhalten".
Laut den Statuten des Kollegs gehört es zu den Aufgaben eines Forschungsstipendiaten, "im Bereich seines Forschungsvorhabens ein internationales Kolloquium abzuhalten".
Donnerstag, 5. Februar 2004
Antrittsvorlesung Mersiowsky in Stuttgart
rotula, 19:41h
Etwas kurzfristig der Hinweis an dieser Stelle, aber wer im Großraum Stuttgart ist, kann vielleicht noch was damit anfangen:
Am Freitag, 2004-02-06 hält PD Dr. Mark Mersiowsky um 17:30 in Raum 17.24, Keplerstraße 17, Universität Stuttgart seine Antrittsvorlesung mit dem Thema: "Die vernunfft die gibt, das nun zeit wirt, eur kinder lassen zu lernen. Adlige Sozialisation im spätmittelalterlichen Südwestdeutschland".
Mersiowsky, Mitarbeiter bei den MGH, lehrte u. a. in Tübingen, Münster und jetzt in Stuttgart. Auf den Seiten der Abteilung für mittelalterliche Geschichte in Tübingen findet man noch weitere Informationen zu seinem Werdegang und seinen Veröffentlichungen, die allerdings noch auf dem Stand seiner Lehrtätigkeit in Tübingen sind.
Am Freitag, 2004-02-06 hält PD Dr. Mark Mersiowsky um 17:30 in Raum 17.24, Keplerstraße 17, Universität Stuttgart seine Antrittsvorlesung mit dem Thema: "Die vernunfft die gibt, das nun zeit wirt, eur kinder lassen zu lernen. Adlige Sozialisation im spätmittelalterlichen Südwestdeutschland".
Mersiowsky, Mitarbeiter bei den MGH, lehrte u. a. in Tübingen, Münster und jetzt in Stuttgart. Auf den Seiten der Abteilung für mittelalterliche Geschichte in Tübingen findet man noch weitere Informationen zu seinem Werdegang und seinen Veröffentlichungen, die allerdings noch auf dem Stand seiner Lehrtätigkeit in Tübingen sind.
Sekundärliteratur contra Quelle?
rotula, 15:22h
Ein schönes Beispiel (bei Archivalia) für ein Proseminar oder ein Tutorium, bei dem man gut demonstrieren kann, wie schnell aus sogenannter "Sekundärliteratur" eine "Quelle" werden kann bzw. wie fließend und eigentlich auch sinnlos die künstliche Trennung zwischen diesen Rubriken bisweilen ist.
Allein schon deshalb halte ich es für höchst fragwürdig, in einem Literaturverzeichnis zwischen Quelle und Literatur zu trennen. Bringt dem Leser keine Vorteile und kostet den Autor nur unnötige Anstrengung.
Allein schon deshalb halte ich es für höchst fragwürdig, in einem Literaturverzeichnis zwischen Quelle und Literatur zu trennen. Bringt dem Leser keine Vorteile und kostet den Autor nur unnötige Anstrengung.
Donnerstag, 29. Januar 2004
Prachthandschriften im DHM
rotula, 16:52h
Das Deutsche Historische Museum Berlin zeigt vom 1. bis 29. Februar 2004 mittelalterliche Handschriften als Computer-Faksimile. Diese virtuelle Bibliothek soll ein wichtiger Teil der zukünftigen Dauerausstellung werden. Im Februar werden bereits vorab einige ausgewählte Handschriften gezeigt:
Das wichtigste Prinzip des digitalen Faksimiles ist es, den Buchcharakter zu erhalten. Ohne komplizierte Navigation kann durch einfaches Anklicken der Seiten geblättert werden. Der Blättervorgang ist fotorealistisch wiedergegeben. Alle Abbildungen in den Büchern werden auf Wunsch sofort erläutert und mittels einer Lupe vergrößert. Der lateinische bzw. mittelhochdeutsche Originaltext kann auf Knopfdruck in moderne Schreibweise transkribiert oder in hochdeutsche Sprache übertragen und mit einer Leselupe zeilengenau durchgesehen werden. [Zitat aus einer Mail von Michael Truckenbrodt an die Mediaevistik-Liste vom 2004-01-29]
Leider scheint es so, als ob diese Bilder nicht im WWW zugänglich sein werden, sodass man hinfahren oder eine CD kaufen muss.
[via Mediaevistik-Liste]
- Passio Kiliani. Fulda, 970/980
- Bamberger Apokalypse. Reichenau, um 1000
- Heinrich von Veldeke: Eneide. Bayern, um 1220/1230
- Rudolf von Ems: Weltchronik und Der Stricker: Karl der Große. 1320/1330
- Machsor Lipsiae. Südwestdeutschland, um 1320
- Kaiser Heinrichs Romfahrt. Trier, 1330/1340
- Die Goldene Bulle. Nürnberg u. Metz, 1356
- Hausbuch der Mendelschen Zwölfbrüderstiftung. Nürnberg, 1426/1549
- Codex Schürstab. Nürnberg, um 1469
Das wichtigste Prinzip des digitalen Faksimiles ist es, den Buchcharakter zu erhalten. Ohne komplizierte Navigation kann durch einfaches Anklicken der Seiten geblättert werden. Der Blättervorgang ist fotorealistisch wiedergegeben. Alle Abbildungen in den Büchern werden auf Wunsch sofort erläutert und mittels einer Lupe vergrößert. Der lateinische bzw. mittelhochdeutsche Originaltext kann auf Knopfdruck in moderne Schreibweise transkribiert oder in hochdeutsche Sprache übertragen und mit einer Leselupe zeilengenau durchgesehen werden. [Zitat aus einer Mail von Michael Truckenbrodt an die Mediaevistik-Liste vom 2004-01-29]
Leider scheint es so, als ob diese Bilder nicht im WWW zugänglich sein werden, sodass man hinfahren oder eine CD kaufen muss.
[via Mediaevistik-Liste]
Reges Pueri
rotula, 12:52h
Wieder mal so ein Buch, in das ich längst mal reinschauen sollte: Thilo Offergeld. Reges pueri. Das Königtum Minderjähriger im frühen Mittelalter (MGH Schriften 50, Hannover 2001). Jetzt wieder darauf aufmerksam geworden durch die soeben erschienene Rezension von Ludger Körntgen in Sehepunkte.
Schon vor einiger Zeit erschienen: die ebenso positive Rezension von Hubertus Seibert in H-Soz-u-Kult.
Schon vor einiger Zeit erschienen: die ebenso positive Rezension von Hubertus Seibert in H-Soz-u-Kult.
Montag, 26. Januar 2004
Das Mittelalter auf der Nase
rotula, 23:54h
So lautet der Titel eines Buches (2003) von Chiara Frugoni. Der Untertitel Brillen, Bücher, Bankgeschäfte und andere Erfindungen des Mittelalters zeigt, um was es geht: Die Autorin stellt verschiedene Erfindungen aus dem Mittelalter vor, die auch heute noch in unserem Leben eine wichtige Rolle spielen.
Das Buch selbst habe ich nicht gelesen. Hinweisen möchte ich aber auf die Rezension von Martina Hartmann in H-Soz-u-Kult. Die gründliche Besprechung endet mit dem positiven Fazit:
Chiara Frugoni ist ein unterhaltsames Buch gelungen, das mit Schwung und Sinn für amüsante Quellen geschrieben ist, und von einer großen Kenntnis der Autorin in der bildenden Kunst des Mittelalters zeugt. Dem Beck Verlag ist zu danken, dass [...] die Bilder in sehr guter Qualität wiedergegeben werden [...]. So wird das im Vorwort formulierte Anliegen der Autorin, „die Schönheit der mittelalterlichen Bilder und Quellen“ werde „ihre Wirkung auch beim Leser nicht verfehlen“, sicher Erfüllung finden; die Hommage an das Mittelalter ist ihr jedenfalls gelungen.
Vielleicht lohnt es sich wirklich, das Buch mal näher anzuschauen: Es kann eventuell als Geschenk (24,90 EUR, 200 S.) geeignet sein oder auch als Argument in Diskussionen mit Nicht-Fachleuten, warum die Beschäftigung mit dem Mittelalter ertragreich und spaßbringend ist.
Das Buch selbst habe ich nicht gelesen. Hinweisen möchte ich aber auf die Rezension von Martina Hartmann in H-Soz-u-Kult. Die gründliche Besprechung endet mit dem positiven Fazit:
Chiara Frugoni ist ein unterhaltsames Buch gelungen, das mit Schwung und Sinn für amüsante Quellen geschrieben ist, und von einer großen Kenntnis der Autorin in der bildenden Kunst des Mittelalters zeugt. Dem Beck Verlag ist zu danken, dass [...] die Bilder in sehr guter Qualität wiedergegeben werden [...]. So wird das im Vorwort formulierte Anliegen der Autorin, „die Schönheit der mittelalterlichen Bilder und Quellen“ werde „ihre Wirkung auch beim Leser nicht verfehlen“, sicher Erfüllung finden; die Hommage an das Mittelalter ist ihr jedenfalls gelungen.
Vielleicht lohnt es sich wirklich, das Buch mal näher anzuschauen: Es kann eventuell als Geschenk (24,90 EUR, 200 S.) geeignet sein oder auch als Argument in Diskussionen mit Nicht-Fachleuten, warum die Beschäftigung mit dem Mittelalter ertragreich und spaßbringend ist.
Samstag, 24. Januar 2004
Lateinische Wörterbücher
rotula, 23:27h
Man ist ständig von ihnen umgeben: In der Schule begleitet einen der Kleine Stowasser, im Studium (Mittelalterliche Geschichte) tritt der Taschen-Heinichen an seine Stelle, weil er das Mittellatein mit berücksichtigt, und wenn man wirklich intensiv philologisch arbeiten will, konsultiert man regelmäßig den Georges. Hinzu gesellen sich je nach Bedarf manchmal der Niermeyer, der Thesaurus oder auch der DuCange, manchmal auf die Schnelle auch das Mittellateinische Glossar von Habel/Gröbel (ja, ja, ich weiß ;-)). Mit der Zeit weiß man, welches Werkzeug für welche Situation das richtige ist, man identifiziert die unterschiedlichen Wörterbücher mit den jeweiligen Autoren/Herausgebern/Bearbeitern. Doch: Was waren das für Menschen? Seit wann gibt es eigentlich den Thesaurus? Gab es auch mal einen "großen" Stowasser? Auf all diese und viele weitere Fragen gibt die mit viel Liebe zum Thema und äußerster Akribie gestaltete Seite von Richard Wolf Antworten. Unbedingt sehens- und lesenswert! Biographische, bibliographische, antiquarische Daten in Hülle und Fülle, Abbildungen der Autoren, ... Klasse!
[Vielen Dank an Annette Grabowsky für den Linktipp!]
[Vielen Dank an Annette Grabowsky für den Linktipp!]
Hungersnot 793
rotula, 16:23h
Eine meiner ersten Übungen zur mittelalterlichen Geschichte befasste sich mit hagiographischen Texten als Quellen zur Mentalitäts- und Alltagsgeschichte. Die Vita Benedikts von Aniane aus der Feder des Ardo haben wir damals nicht behandelt. Doch auch in diesem Text stößt man allenthalben auf interessante Stellen. So zum Beispiel auf den Bericht über eine Hungersnot:
Diese Passage vermittelt doch ein recht anschauliches und vermutlich auch realistisches Bild. Deutlich wird, welche eminent wichtige Rolle Klöster für die soziale Versorgung, besonders in Krisenzeiten spielten (deutlich aber auch, dass Klöster eben diejenigen sind, die noch über Vorräte verfügen). Und wir bekommen sehr klar vor Augen geführt, wie so etwas damals konkret ablief.
Überhaupt sind viele Passagen der Vita äußerst aufschlussreich über die alltäglichen Widrigkeiten, mit denen klösterliche "Startups" damals zu kämpfen hatten (Diebstahl, Überschwemmungen, Feuersbrünste, Neid und Missgunst innerhalb des Klosters ...). Die spannende Lektüre der Vita kann ich nur empfehlen (wenn man sich mal durch die sperrige Praefatio durchgequält hat!). Die angegebene Webseite wird innerhalb der nächsten Wochen vervollständigt werden, sodass man den gesamten Text auf Deutsch lesen können wird. Auf Latein steht der Text bereits jetzt online zur Verfügung.
Im vorgegebenen Rahmen einer Übung und der dazugehörigen Webseite können verschiedene spannende Fragen nicht ausführlicher behandeln werden. Deshalb seien zu dieser Stelle hier einfach einige Materialien ergänzend hinzugefügt.
Die oben beschriebene Hungersnot könnte die weit verbreitete von 793 sein, die in verschiedenen Annalen belegt ist. Hier aber klingen die Meldungen naturgemäß ungleich lapidarer:
Die Auswirkungen dieser Krise sind auch noch in den Dokumenten der großen Synode von 794 in Frankfurt fassbar. Zumindest im Frankfurter Kapitular (MGH Conc. 2, 1 S. 165 ff.) finden sich zwei Stellen, die darauf Bezug nehmen: "Kapitel 4 berichtet von einer Entscheidung des Königs, der die Synode zugestimmt habe, durch die feste Preise für Getreide und für Brot eingeführt wurden, die in Zeiten des Überflusses ebenso gelten sollten wie in Zeiten des Mangels. Wenn es in einem Zusatz heißt, daß die königlichen Benefiziare dafür sorgen sollen, daß keiner ihrer Knechte verhungere, so beleuchtet dies eindrucksvoll die schlechte Ernährungslage vor allem der Unterschicht in jenen Jahren" [Hartmann, Synoden der Karolingerzeit im Frankenreich und in Italien (1989) S. 111]. Kapitel 25 befasst sich mit dem Zehntgebot. "Wohl als Hinweis auf die Bestrafung bei Zinsverweigerung ist noch hinzugefügt, daß während der schweren Hungersnot des Jahres 793 das Getreide von den Dämonen gefressen worden und weggeflogen sei, außerdem seien tadelnde Stimmen gehört worden. Der volkstümliche Dämonenglaube wurde hier von einer Synode als Disziplinierungsmittel benutzt!" [Hartmann, Synoden S. 113].
7. (16) Es gab aber in dieser Zeit eine fürchterliche Hungersnot, viele der Armen, der Witwen und der Waisen fingen an, zu ihm (Benedikt) zusammenzuströmen und die Pforten des Klosters und die Wege zu verstopfen. Als er jene vom Hunger verzehrten, ja vielmehr schon fast vom Tod selbst verschlungenen sah, wurde er bedrückt, denn er wusste nicht, woher er eine so große Menge ernähren sollte. Aber weil denen, die Gott fürchten nichts fehlt, ließ er, bis sie neue Früchte ernteten, das, was den Brüdern genügen könnte, abgesondert zurücklegen. Dann ordnete er an, den Rest durch dafür bestimmte Brüder an den einzelnen Tagen zu verschenken. Sogar Fleisch von Vieh und Schafen wurde jeden einzelnen Tag gegeben, sogar Milch von Schafen gewährte Hilfe. Also machten sie sich Hütten an geeigneten Orten, in denen sie bis zur nächsten Ernte wohnten. Als der Speisevorrat ausging, schrieb er vor, wiederum das, was er befohlen hatte, zum Gebrauch der Brüder zurückzulegen, neu aufzuteilen; dies wurde dreimal gemacht. In den Seelen der Brüder war freilich das Gefühl der Barmherzigkeit so groß, dass sie auch gern alles hergegeben hätten, wenn es erlaubt gewesen wäre. Denn was jeder sich entziehen konnte, brachte er heimlich denen, die von Hunger erschöpft waren; und so wurden sie kaum der Gefahr des Verhungerns entrissen. Mehrmals wurde sogar jemand tot aufgefunden, der Brot im Mund hatte.Den lateinischen Text gibt's hier. Von dort habe ich auch die Übersetzung übernommen (mit einigen kleineren Korrekturen und stilistischen Nuancen, denn bei der Webseite über die Vita handelt es sich noch um eine im Aufbau befindliche Rohfassung).
Diese Passage vermittelt doch ein recht anschauliches und vermutlich auch realistisches Bild. Deutlich wird, welche eminent wichtige Rolle Klöster für die soziale Versorgung, besonders in Krisenzeiten spielten (deutlich aber auch, dass Klöster eben diejenigen sind, die noch über Vorräte verfügen). Und wir bekommen sehr klar vor Augen geführt, wie so etwas damals konkret ablief.
Überhaupt sind viele Passagen der Vita äußerst aufschlussreich über die alltäglichen Widrigkeiten, mit denen klösterliche "Startups" damals zu kämpfen hatten (Diebstahl, Überschwemmungen, Feuersbrünste, Neid und Missgunst innerhalb des Klosters ...). Die spannende Lektüre der Vita kann ich nur empfehlen (wenn man sich mal durch die sperrige Praefatio durchgequält hat!). Die angegebene Webseite wird innerhalb der nächsten Wochen vervollständigt werden, sodass man den gesamten Text auf Deutsch lesen können wird. Auf Latein steht der Text bereits jetzt online zur Verfügung.
Im vorgegebenen Rahmen einer Übung und der dazugehörigen Webseite können verschiedene spannende Fragen nicht ausführlicher behandeln werden. Deshalb seien zu dieser Stelle hier einfach einige Materialien ergänzend hinzugefügt.
Die oben beschriebene Hungersnot könnte die weit verbreitete von 793 sein, die in verschiedenen Annalen belegt ist. Hier aber klingen die Meldungen naturgemäß ungleich lapidarer:
Et in ipsa hieme transmisit rex Karolus duos filios suos Pippinum et Ludovicum cum hoste in terra Beneventana; et facta est ibi famis validissima super populum illum qui ibi inventus est, et super exercitum qui advenerat, ita ut aliquanti nec ipsa quadragesima se ab esu carnium abstinere potuissent. Set et famis valida in Italia et Burgundia, et per aliqua loca in Francia incumbebat, necnon in Gothia et in Provincia erat famis valida, ita ut multi ex ipsa fame mortui fuissent. [Annales Laureshamenses, MGH SS 1, hg. von Pertz S. 35]Grob übersetzt:
Und in jenem Winter schickte der König Karl [der Große] seine beiden Söhne Pippin und Ludwig mit einem Heer nach Benevent. Und dort gab es eine äußerst heftige Hungersnot, die das dort vorgefundene Volk sowie das angekommene Heer betraf. Sie war so schlimm, dass einige – obwohl Fastenzeit herrschte – nicht darauf verzichten konnten, Fleisch zu essen. Und die schlimme Hungersnot befiel Italien und Burgund und andere Gegenden im Frankenreich, und besonders auch in Gotien und in der Provence herrschte schlimmer Hunger, sodass aufgrund dieser Hungersnot viele starben.Seltsam mag anmuten, dass man Fleisch hatte und trotzdem hungerte. Unklar ist aber, um was für Fleisch es sich genau handelte. Außerdem wurden in dieser Zeit die Fastengebote sehr ernst genommen. Die Hungersnot war vermutlich bedingt durch Mangel an Korn (Missernten). [Vgl. Abel – Simson, Jahrbücher des fränkischen Reiches unter Karl dem Großen 2 (Leipzig 1883) S. 52 Anm. 1].
Die Auswirkungen dieser Krise sind auch noch in den Dokumenten der großen Synode von 794 in Frankfurt fassbar. Zumindest im Frankfurter Kapitular (MGH Conc. 2, 1 S. 165 ff.) finden sich zwei Stellen, die darauf Bezug nehmen: "Kapitel 4 berichtet von einer Entscheidung des Königs, der die Synode zugestimmt habe, durch die feste Preise für Getreide und für Brot eingeführt wurden, die in Zeiten des Überflusses ebenso gelten sollten wie in Zeiten des Mangels. Wenn es in einem Zusatz heißt, daß die königlichen Benefiziare dafür sorgen sollen, daß keiner ihrer Knechte verhungere, so beleuchtet dies eindrucksvoll die schlechte Ernährungslage vor allem der Unterschicht in jenen Jahren" [Hartmann, Synoden der Karolingerzeit im Frankenreich und in Italien (1989) S. 111]. Kapitel 25 befasst sich mit dem Zehntgebot. "Wohl als Hinweis auf die Bestrafung bei Zinsverweigerung ist noch hinzugefügt, daß während der schweren Hungersnot des Jahres 793 das Getreide von den Dämonen gefressen worden und weggeflogen sei, außerdem seien tadelnde Stimmen gehört worden. Der volkstümliche Dämonenglaube wurde hier von einer Synode als Disziplinierungsmittel benutzt!" [Hartmann, Synoden S. 113].
Donnerstag, 22. Januar 2004
Romführer
rotula, 01:43h
Bei Libreria Editrice Vaticana gibt's aus der Feder von Elvira Ofenbach (Bibliothekarin des Deutschen Archäologischen Instituts) einen Führer zu den Heiligen Roms. Mehr dazu bei Zenit. Auf der Webseite des Verlags kann ich bislang nur die italienische Ausgabe Sulle orme dei Santi a Roma. Guida alle icone, reliquie e case dei Santi für 19,50 EUR finden.
[via netbib]
[via netbib]
... nächste Seite